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Marcus Haas

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Liebe und Verachtung

Warnung!
Die in dieser Geschichte enthaltenen Darstellungen von Gewalt und Sexualität können auf Minderjährige und sensible Personen verstörend wirken.

 Arielle war nicht ihr richtiger Name, natürlich nicht. In diesem Gewerbe benutzte niemand seinen richtigen Namen. Es kam auf Vertrauen an, aber nicht auf die Identität. Arielle wollte auch nicht wissen, dass ihr nächster Kunde leitender Angestellter in einer Bank war und kurz davor stand, zum Direktor der Filiale befördert zu werden. Arielle wusste das, weil er gern plauderte, während er bei ihr war und es gehörte zum Ehrenkodex ihres Gewerbes, diese Informationen für sich zu behalten.

Arielle betrachtete sich im Spiegel und rückte die rote Perücke zurecht, sie betrachtete das Ganze als ein Spiel, anders würde sie es nicht aushalten. Die Männer kamen zu ihr, um ihre Fantasien auszuleben, das war noch nicht einmal besonders verwerflich. Jedenfalls nicht in Arielles Augen.

Sie überprüfte ihr Make-up, das sie dick wie eine Maske aufgetragen hatte. Mit Theaterschminke, weil nur sie ihr die Sicherheit geben konnte, dass es die zwei Stunden durchhielt, die ein Termin normalerweise dauerte.

Aber Arielle liebte nicht, was sie tat. Sie machte das für das Geld. Meistens war es ihr nicht unangenehm aber sie hätte gut darauf verzichten mögen, wenn es einen anderen Job gegeben hätte, in dem sie genug Geld verdienen konnte, um ihr Kind zu ernähren und die Abendschule zu besuchen. Sie hoffte, dass sie mit einem Schulabschluss vielleicht doch einmal die Möglichkeit hätte, dieses Milieu hinter sich zu lassen und ihrer kleinen Tochter wieder in die Augen sehn zu können.

Im Grunde hatte Arielle es aber noch gut getroffen, denn sexuelle Kontakte waren ausgeschlossen, es ging halt nur um Fantasien, die nicht selten bizarr waren, aber zumindest was Arielle betraf, eine feste Regel befolgten: Sex war Tabu.

Es war Mittwoch und steckte Arielle in ihrem schwarzen Latex-Outfit, mit hohen Schnürstiefeln aus Lack und einem fest geschnürten Korsettrock.

An den meisten Tagen machte es ihr nicht viel aus. Den Geruch nach Latex, und das Gefühl von Gummi auf ihrer Haut, fand Arielle sogar angenehm. Heute war nicht so ein Tag, heute war einer dieser Tage, an denen sie es hasste, womit sie ihr Geld verdiente. Angeblich war sie an solchen Tagen am besten als Domina, aber das minderte ihre Verachtung für die Kunden nicht, die Arielle an solchen Tagen behandelte. Was alles noch schlimmer machte, war die Tatsache, dass Arielle genau wusste, dass sie nicht den Kunden, sondern sich selbst verabscheute.

Arielle ging hinunter ins Foyer, um sich ein wenig mit den Kunden zu unterhalten und vielleicht den einen oder anderen neugierig auf einen Termin mit ihr zu machen. Ihr Kunde würde etwa in einer halben Stunde eintreffen.

Nach fünf Stunden hatte Arielle ihr heutiges Pensum geschafft und war froh, sich aus dem Latex befreien zu können. Es war halb vier morgens und Arielle würde vielleicht noch zwei Stunden Schlaf bekommen, bevor sie für Jessika das Frühstück machen musste. Mit elf Jahren war ihre Tochter bald alt genug, dass auch alleine zu machen aber Arielle wollte das nicht. Wenigstens tagsüber musste sie für Jessika da sein und so tun, als ob sie eine ganz normale Mutter war, wenn auch eine die nachts arbeitete und sich wieder ins Bett legte, wenn die Tochter in der Schule war.

Nach der Dusche wieder in Jeans und T-Shirt war sie nicht mehr Arielle, sondern Simone Lehmann eine völlig andere Rolle und manchmal war sie sich nicht mehr sicher, welche Rolle gespielt war und welche real. Vielleicht waren beide Rollen nicht ganz echt.

Simone verließ das Haus über den Hintereingang, sie war fast immer eine der Letzten, die die Nachtschicht beendete, kurz bevor die Putzkolonne kam, um alles wieder herzurichten. Simone war froh, dass sie es immer schaffte, zu verschwinden, bevor sie kamen, sie konnte niemandem in die Augen sehen, wenn ihre Schicht vorbei war.

Sie stieg in ihren VW-Käfer und fuhr nach Hause, ein keines Reihenhaus in einer ordentlichen Wohngegend. Es hatte lange gedauert, bis sie es geschafft hatte sich dieses Leben aufzubauen.

Mit sechzehn war sie mit Jessika schwanger geworden, das schien damals noch nicht einmal so dramatisch, Martin, der Vater, fing gerade seine Ausbildung an und sie wollten zusammenziehen. Aber noch nicht einmal ein Jahr später saß Simone allein mit einem schreienden Baby in einer viel zu großen und teuren Wohnung, die Schulden waren eine drückende Last und ohne Schulabschluss gab es keine Aussicht auf eine halbwegs vernünftige Arbeit. Die Sozialhilfe genügte hinten und vorne nicht und Martin dachte nicht daran, Unterhalt zu zahlen.

Erst als Jessika alt genug war um in den Kindergarten zu gehen versuchte Simone sich aus dem Dreck herauszuziehen, in dem sie saß. Sie putzte, bis ihre Hände schrumpelig waren, verkaufte eine weile Gemüse auf dem Markt, aber im Winter wurde sie die Erkältung nicht mehr los. Erst als Jessika eingeschult wurde und Simone ihren 22. Geburtstag gefeiert hatte, entdeckte sie die Anzeige eines Sexclubs. Zunächst nur für den Barbetrieb verdiente sie endlich etwas Geld, mit dem sie den Schuldenberg zwar nicht abbezahlen konnte, aber wenigstens wuchs er langsamer.

Sie beobachtete die Frauen, die einem Gewerbe nachgingen, dass Simone sich für sich niemals hätte vorstellen können. Und sie sah die Männer, die sie verachtete, weil sie nicht die Frauen mochten, sondern nur Objekte, die ihre Fantasien Wirklichkeit werden ließen. Nicht alle Männer waren so, einige mit denen sie sich unterhielt waren intelligent und witzig aber das war die Ausnahme und ihre Vorurteile verhärteten sich zu einem Panzer, der es ihr leichter machte sich von diesen Menschen zu distanzieren.

Simone hätte klar sein müssen, dass sie hier nicht ewig hinter dem Tresen stehen würde. Sie sah gut aus und war nicht dumm, auch ohne Schulabschluss. Als sie Lars, der Betreiber des Clubs, eines Tages fragte, ob sie nicht für eine kranke Kollegin einspringen könnte, dauerte es nicht lange, bis sie ausgerechnet hatte, was sie mit dem versprochenen Honorar alles anfangen könnte. 

Sie lehnte ab.

Zwei mal lehnte sie noch ab, bevor sie vorsichtig zustimmte. Simone hatte fürchterliche Angst vor diesem Abend aber Lars versprach, einen netten Klienten auszusuchen. Vera half ihr das erste mal ein Latexkostüm anzulegen und Simone merkte, dass sie das Gefühl auf der Haut mochte. Als dann der Abend nicht so schlimm wurde, sie unterhielten sich fast zwei Stunden über alles Mögliche, während sie ihn fesselte und streichelte, war Simone verloren. Sie nannte sich von nun an Arielle. Für Sex stand sie nicht zur Verfügung, aber abgesehen davon baute sie ihr Spektrum über die Jahre weiter aus. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, dabei war das alles gerade fünf Jahre her.

Simone parkte den Wagen in der Auffahrt, es war ein gutes Gefühl zu Hause zu sein und wenigstens bis morgen Abend wieder so tun zu können, als ob sie eine ganz normale Hausfrau und Mutter war. Vielleicht würde sie Jessika eines Tages sagen müssen, womit sie ihr Geld verdiente aber nicht jetzt und vielleicht war sie da schon raus, wenn es einmal soweit war.

Aber als Simone ausstieg, wurde sie brutal am Arm gepackt und herumgerissen.

"Guten Abend Simone. Einen schönen Tag gehabt?"

"Was willst du hier Martin", presste sie wütend hervor. Sie konnte sich nicht vorstellen, warum Martin nach fast sieben Jahren plötzlich hier auftauchen sollte.

"Was für eine Begrüßung für deinen Ehemann."

"Wir sind geschieden."

"Ganz egal. Darum bin ich nicht hier."

"Ah. Dann hast du dich wohl entschieden endlich den Unterhalt zu zahlen was?" Dabei riss sie sich wütend los und versuchte zum Haus zu gehen. Aber Martin ließ sie nicht.

"Nicht so schnell, mein Schatz. Schau dir erst mal das hier an."

Er drückte Simone einen Briefumschlag in die Hand und wartete ab, während Simone die Fotos herauszog.

"Was soll das?" Die Fotos zeigten Simone vor dem Club, beim rein und rausgehen, das war nicht ganz so schlimm. Aber eine andere Serie zeigte Simone, wie sie in ihrem Schlafzimmer mit sich spielte, während sie ein paar Latexsachen aus dem Club trug.

"Ich denke das weißt du ganz genau."

"Ich habe kein Geld."

"Aber ich will das Geld nicht von dir. Ich will einen deiner Klienten erpressen."

"Sehr witzig, dazu brauchst du aber seine Fotos nicht meine."

"Ah gut erfasst. Du bist gar nicht so dämlich." Er riss ihr die Fotos wieder aus der Hand. "Dann rate mal, wem das Jugendamt das Sorgerecht zuspricht, wenn sie diese Fotos sehen?"

Simone erstarrte vor Schreck. Martin wollte nicht das Sorgerecht, hatte es nie gewollt.

"Was willst du?" wiederholte, sie aber es klang nicht mehr so scharf wie beim ersten Mal.

"Mach mir ‚nen Film von dem hier!" Er hielt Simone ein anderes Foto unter sie Nase. Sie kannte den Mann flüchtig.

"Das ist nicht mein Klient." Sie versuchte sich wieder umzudrehen, aber Martin packte sie wieder am Arm, so hart, dass es einen blauen Fleck geben würde.

"Das ist mir scheiß egal. Entweder den Film oder Jessika. Ganz allein deine Entscheidung. Ruf mich an, wenn du was hast." Damit drückte Martin ihr den Umschlag und das einzelne Bild vor die Brust und lief davon.

Simone war so geschockt, dass sie die Bilder fallen ließ, bevor sie nach dem Umschlag greifen konnte. Erst als Martin außer Sicht war, bückte sie sich und hob die Fotos mit zitternden Händen auf. Alles was sie sich in den letzten Jahren mit Mühe und Selbstverachtung aufgebaut hatte war in zwei Minuten zerstört worden.

Als Simone am nächsten Morgen aufstand, konnte sie sich nicht erinnern eingeschlafen zu sein, nur daran sich den ganzen Rest der Nacht von einer Seite auf die andere gewälzt zu haben, ohne Ruhe finden zu können.

Und sie war froh, als Jessika endlich das Haus verlassen hatte, um zur Schule zu gehen, sie hatte ihr was vorgemacht, als ob alles in Ordnung wäre. Simone spielte eigentlich immer Theater, bei der Arbeit spielte Sie, was die Kunden wollten und zu Hause spielte sie die Mutter. An manchen Tagen war sie sich nicht mehr sicher, wo ihre eigene Persönlichkeit geblieben war.

Sie hätte sich am liebsten irgendwo versteckt, wäre davongelaufen, aber sie wusste, dass sie das nicht konnte, sie konnte all das, was sie für sich und ihre Tochter aufgebaut hatte, nicht einfach hinter sich lassen, wo sollte sie denn hingehen.

Es blieb Simone keine Wahl, sie musste für Lars das Video besorgen, die er verlangt hatte und von diesem Tag an war sie erpressbar er würde immer wieder zu ihr kommen können und er konnte verlangen, was immer er wollte. Simone kamen die Tränen.

Als Simone sich wieder gefasst hatte, recherchierte sie im Internet nach einer Kamera, die für ihre Zwecke geeignet war, leise und digital, der zusätzliche Speicher würde ausreichen, um drei Stunden Film mit guter Qualität aufzunehmen. Und sie schämte sich dafür, dass sie das Vertrauen ihrer Kunden auf diese weise verraten musste, denn auch wenn Simone die Kerle oft verachtete so hatte sie doch Verständnis für die Diskretion, auf die sie sich verließen und die Simone schließlich auch für sich selbst in Anspruch nahm.

Am nächsten Dienstag hatte Simone die Kamera tief unten in ihrer Handtasche versteckt, sie war am Vormittag mit der Post geliefert worden und es machte keinen Sinn die Sache aufzuschieben Simone wollte es nur noch hinter sich bringen und sich der Illusion hingeben, dass sie hinterher wieder ihre Ruhe haben würde, um in ihr falsches Leben zurückzukehren.

Und sie fühlte sich, als würde sie ihre Kollegin Maya verraten, als sie die Kamera hinter dem schwarzen Lackvorhang versteckte. Es war ein doppelter Verrat, an dem Kunden und an ihrer Freundin aber Martin wollte Fotos von diesem Typen und die sollte er auch bekommen.

Noch wie war Simone bei ihrer Arbeit so unwohl gewesen wie an diesem Tag, sie war froh als ihre Schicht endlich zu Ende war und sie die Kamera wieder bergen konnte, nachdem die anderen schon gegangen waren. Sie wusste nicht, was Maya mit dem Mann gemacht hatte und eigentlich wollte sie es auch gar nicht wissen aber genauso gut hätte Simone beschließen können nicht mehr zu atmen.

Zurück in ihrer Küche zog Simone die Vorhänge vor und schaltete das Display ein.

Es war nicht viel Neues dabei, aber die Art und Weise wie es der Mann Maya behandelte machte es Simone wenigstens etwas leichter den Film weiterzugeben. Sie kannte den Kerl nur flüchtig vom Sehen, hatte nie mehr als zwei drei Worte mit ihm gewechselt. Unberührt spielte die Kamera das Video ab. Simone schaltete auf schnellen Vorlauf, bis beide Personen den Raum endlich wieder verließen. Den Rest des Bandes löschte sie wieder. Es war wirklich nicht nötig, dass auch noch zu sehen war, wie sie nach der Kamera griff und sie aus dem Versteck nahm.

Als Simone Martin anrief, um ihm zu sagen, dass er die Kamera abholen konnte, zitterte Ihre Stimme und eine Stunde später war sie das Video endlich los und der Briefumschlag mit den Negativen steckte im Abfall.

Sie konnte nicht zu ihrem normalen Leben zurückkehren aber sie tat trotzdem so als wäre wieder alles in Ordnung. Sie belog sich.

Das funktionierte sogar ganz gut, nach zwei Wochen glaubte Simone fast selbst schon daran. Als Arielle ging sie Ihrer Arbeit nach und niemand verhielt sich ungewöhnlich ihr gegenüber. Als Simone war sie wieder Hausfrau und Mutter und alles schien wieder zu funktionieren, bis eines Tages die Polizei an der Tür klingelte.

Simone erkannte die Polizisten in Zivil erst als sie ihr die Ausweise zeigten und darum baten, ein paar Worte mit ihr wechseln zu dürfen. Simone bat die beiden in die Küche, sie dachte nicht im entferntesten daran, dass dieser Besuch etwas Martins besuch zu tun haben könnte. Sie war nervös, aber die beiden waren nicht gekommen, um sie zu verhaften also konnte es nicht mit Ihrem Beruf zusammenhängen. Vielleicht war ja in der Nachbarschaft eingebrochen worden.

"Kennen Sie diesen Mann?" fragte einer der beiden und schob ein Polaroidfoto über den Küchentisch.

Simone nahm das Foto und nickte langsam, während ihr Gehirn begann, das Puzzle zusammenzusetzen.

"Das ist Martin." Er lag offensichtlich und machte einen sehr blassen und etwas aufgedunsenen Eindruck.

"Ihr Ehemann."

"Wir sind geschieden."

Der stille Kollege machte sich Notizen.

"Es tut mit Leid Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihr Mann tot aufgefunden wurde."

Simone starrte auf das Foto. Jetzt war klar, warum er so komisch aussah. Sie sagte nichts.

"Seine Leiche wurde im Silbersee gefunden, zwei Einschüsse in der Brustgegend. Wir sind ziemlich sicher, dass es sich um Mord handelt."

Diesmal nickte Simone nur, wenn die beiden dachte sie würden sie mit dieser Konfrontation aus der Reserve locken hatte sie sich geirrt. Irgendwie war Simone noch nicht einmal besonders überrascht.

"Wollen sie dazu nichts sagen?" mischt sich der schreibende Kollege ein und erntet einen kurzen Seitenblick vom Sprecher. Die beiden hatten Ihre Namen genannt, aber Simone hat nicht richtig zugehört oder die Namen schon wieder vergessen.

"Wir haben uns seit Jahren nicht gesehen. Wundert mich, dass Sie nicht schon vor Jahren mit so einem Foto gekommen sind."

Die beiden schweigen einen Augenblick verwirrt. Sie hätten besser recherchieren sollen denkt Simone und hofft, dass man keine weiteren Verbindungen zu ihr finden wird. Martin hat es nicht anders verdient. Es muss der Erpresste gewesen sein, er hat sich das nicht gefallen lassen. Simone wird ihn verraten, er hat ihr einen Gefallen getan.

"Er hatte also Feinde?"

"Keine Ahnung, aber er hatte schlechte Freunde."

"Wie meinen Sie das?"

"Als wir noch zusammen waren, trieb er sich in den falschen Kreisen rum. Drogen, was weiß ich. Ich hab ihn deswegen verlassen."

Der eine Polizist nickt, der andere notiert.

Als die Polizisten endlich wieder weg waren, fing Simone an zu heulen und hasste sich dafür, dass sie Martin, den sie gehasst hatte, seit sie sich getrennt hatten, auch nur eine Träne nachweinte. Trotzdem brachte sie eine halbe Stunde, bis sie sich wieder halbwegs unter Kontrolle hatte. Es ist leichter einen Lebenden zu hassen, den man nie wieder sehen will, als einen Toten, den man vor vielen Jahren einmal geliebt hat. Selbst wenn diese Liebe viel zu schnell im Dreck gelandet war.

Simone war sich nicht sicher, ob oder gar wie sie Jessika beibringen sollte, dass Ihr Vater tot war. Jessika wusste nicht viel von ihm, das er existierte und das Simone nicht mehr mit ihm zusammen sein wollte. Sie wusste nicht, wie sich das ändern würde, wenn Sie ihr sagte was passiert war. Vielleicht würde Sie ihr dann von ihm erzählen müssen, wie sie sich kennen gelernt hatten, wie sie wenigstens für eine Zeit lang alles für einander waren und wie sie begonnen hatten einander zu hassen und zu verachten. Am meisten hassten sie einander für ihre eigenen Schwächen.

Simone dachte sie sei nach all den Jahren darüber hinweg und es sollte es ihr nichts ausmachen, dass das Arschloch endlich verreckt war. Sie irrte sich und biss die Zähne zusammen. Jessika würde sie nichts davon erzählen, eines Tages konnte sie die ganze Geschichte erfahren, eines Tages, wenn sie älter war und all die Scheiße von heute eine Anekdote aus der Vergangenheit.

Zwei weitere Tage konnte sie weitermachen wie bisher, sie machte den Hauhalt, ging zur Abendschule - ohne sich jedoch richtig konzentrieren zu können - und spielte in der Nacht ihre Rolle als Arielle. Arielle war fast eine Erlösung für Simone, weil sie in dem Latexkostüm wenigstens ein paar Stunden nicht mehr mit den Problemen Simones konfrontiert war. Was zählte waren ihre Kunden und Arielle spielte ihre Rolle, war ihre Rolle.

Dann standen die Polizisten wieder vor der Tür. Es war später Nachmittag, Simone war oben und machte Ihre Hausaufgaben, Simone wollte gleich zur Schule. Ihr wurden die Knie weich, als die beiden Ihr den Durchsuchungsbefehl zeigten. Alles brach zusammen.

"Was soll das?"

"Sie haben uns nicht ganz die Wahrheit gesagt. Zwei Tage vor dem Mord haben Sie mit Martin telefoniert."

"Ja und? Ist das ein Grund meine Wohnung zu durchwühlen."

"Das allein wahrscheinlich nicht, aber ihre nächtliche Beschäftigung hat uns neugierig gemacht, zumal wir den Wagen Martins Lehmanns gefunden haben und das hier unter dem Sitz lag."

Der Polizist hielt ihr eines der Fotos unter die Nase, mit denen Martin sie erpresst hatte. Dies zeigte sie deutlich, wie sie aus dem Club kam. Sie hatte den Abzug nicht vermisst, weil sie Abzüge und Negative gleich weggeworfen hatte. Es spielte ohnehin keine Rolle, weil sie weiter in dem Gewerbe arbeiten musste und Martin jederzeit Neue machen konnte.

"Hat er versucht Sie zu erpressen Frau Lehmann?"

Simone zuckte zusammen, als er sie bei ihrem Nachnahmen ansprach, dann nickte Sie.

"Und da haben Sie ihn umgebracht."

"Nein." Simone schreie fast.

"Mama. Was machen die Leute alle hier?" Jessika kam langsam und eingeschüchtert die Treppe hinunter.

"Komm her Jessika." Sie nahm das Kind in die Arme und hielt es fest. "Dein Vater ist gestorben, man hat ihn ermordet. Diese Polizisten glauben ich hätte was damit zu tun, weil wir mal verheiratet waren." Jetzt war es raus, aber Simone verspürte keinerlei Erleichterung dabei, im Gegenteil sie fühlte sich als hätte sie nun endlich auch Ihre Tochter mit hinuntergezogen in den Sumpf, aus dem sie sich seit so vielen Jahren verzweifelt zu befreien versuchte.

 "Ich versteh´ das nicht!"

"Ich auch nicht Schatz. Ich rufe Großmutter an, du gehst ein paar Tage zu ihr."

"Ich will nicht zu Oma. Ich will bei dir sein." Jessika schluchzte verängstigt und Simone drehte sich der Magen um, währen sie ihre Tochter an sich drückte. Sie fühlte, wie sich ihr Brustkorb einschnürte und sie Probleme hatte zu atmen. Unwillkürlich wollte sie sich in den Rücken greifen um die Schnürung des Korsetts zu lockern aber ihr fiel ein, dass sie gar keins trug. Es war nur eine Panikattacke.

Die beiden Polizisten betrachteten sie unsicher, während ihre Kollegen das Haus auf den Kopf stellten.

"Du bist bei Oma besser aufgehoben, bis ich das hier geklärt habe."

Jessika nickte mit Tränen in den Augen und Simone durfte einen Anruf machen. Zwanzig Minuten später war das Kind aus der Gefahrenzone.

"Also! Ich denke, sie sollten mit uns kooperieren. Wir haben noch keinen Haftbefehl mitgebracht, aber lassen sie mich das klar sagen. Sie sind zurzeit unsere einzige Verdächtige."

"Ich war´s nicht. Verdammt nochmal." Aber ihr Ausbruch hatte keine Energie mehr.

"Aha?"

Simone hatte keine Wahl mehr. Sie hatte einen Fehler gemacht nicht sofort die Wahrheit zu sagen, das rächte sich jetzt.

"Martin hat mich erpresst. Aber er wollte kein Geld, sondern Fotos."

Simone erzählte den beiden die ganze Geschichte ohne etwas hinzuzufügen, aber auch ohne etwas wegzulassen. Krampfhaft versuchte Sie die Tränen zu unterdrücken, sie hatte das Gefühl alles zu verlieren, was ihr jemals etwas bedeutet hatte, was sie sich aufgebaut hatte, die ganze Fassade an die selbst so gerne glauben wollte und ihre Tochter.

"Interessante Geschichte. Haben Sie Beweise?"

"Beweise?"

"Ja. Sie haben uns ein nettes Märchen erzählt aber darauf gibt es keinerlei Hinweise. Vielleicht gibt es diesen Film, vielleicht sogar den Mann, aber keine Verbindung zum Mord Martin Lehmanns."

"Dann suchen Sie gefälligst danach. Martin muss den Kerl schließlich auch angerufen haben. Prüfen Sie sein Alibi. Ich muss Ihnen doch wohl nicht verklickern, wie Sie ihre Arbeit zu machen haben."

Die Polizisten zuckten mit den Schultern und wandten sich an Ihre Kollegen.

"Irgendwas gefunden?"

"Ein paar Fetischsachen aus Lack und Gummi," grinste einer der Polizist verlegen. "Sonst nichts."

"Gut. Wir ziehen wieder ab. Frau Lehmann, sie verlassen bitte nicht die Stadt. Sie würden nicht weit kommen."

Simone bemerkte den Wagen der Sie observierte gleich, nachdem die Polizisten abgezogen waren. Es machte ihr nichts aus. Im Gegenteil das waren offizielle Zeugen für den Plan, der sich langsam in ihrem Kopf formte.

Es war zu spät noch zu Abendschule zu gehen und Simone hätte sich heute ohnehin nicht dazu durchringen können. Statt dessen griff sie nach dem Telefon und rief Maya an.

"Simone?"

"Ja. Kannst du mir einen Gefallen tun?"

Sie zögerte eine Sekunde. "Natürlich, was möchtest du."

"Dein Kunde, der Bankier. Kommt der heute?"

"Hm? Ja. Komisch, dass du jetzt anrufst, er hat nämlich gerade mit mir telefoniert."

"Was wollte er?" Simone versuchte belanglos zu klingen, unverdächtig. Aber ihr war klar, dass es für diesen Kerl noch einen zweiten Zeugen gab, der beseitigt werden musste. Offensichtlich kannte er Mayas Adresse nicht, sonst wäre sie schon tot.

"Er kommt heute erst gegen zwölf. Am Ende meiner Schicht. Scheiße ist das. Ich wollte heute früher gehen. Wenn er nicht sog gut zahlen würde hätt´ ich ihm den Marsch geblasen so kurzfristig alles über den Haufen zu werfen.

"Maya! Lass mich übernehmen."

"Bist du irre? Das ist doch gar nicht dein Stil?"

"Ich kann das nicht gut erklären. Ich muss mit ihm zusammenkommen."

"Du weißt nicht, auf was du dich da einlässt. Das ist nicht einer deiner Vanilla-Typen. Der nimmt dich verdammt hart ran."

"Maya. Bitte! Es ist mir ernst."

"Ja schon gut. Ich könnte das Geld brauchen aber auf die blauen Flecke verzichte ich gern. Ich hab dann was gut bei dir."

"Ja. Danke Maya. Ich bin dir was schuldig."

"Ne Erklärung vielleicht? Na egal. Ich zeig dir nachher, worauf er steht. Wenn du meine Perücke trägst, merkt er´s vielleicht gar nicht."

Simone war froh, dass Maya nicht weiter nachgefragt hatte, warum sie ihren Termin unbedingt übernehmen wollte und weil sie das Video kannte, konnte sie auch nachvollziehen, warum Maya bereit war, auf das Geld zu verzichten. Das war kein Spiel bei diesem Mann, wenn er zuschlug, dann wollte er verletzen. Martin hatte sich mit dem Falschen eingelassen und wenn Simone nicht acht gab, war sie die nächste. 

Es war das erste Mal, dass Arielle nicht wirklich sie selbst war, jedenfalls nicht so wie sonst. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass es ihr jemals so große Probleme gemacht hatte die eine Wirklichkeit gegen die andere auszutauschen. Irgendwann nahm sie der Kunde beiseite und durchbrach die Mauer, die sie stets zwischen sich und dem Kunden aufbaute.

"Willst du darüber reden Arielle?" Es war seltsam das von einem Mann zu hören, der gefesselt auf dem Bett lag.

Simone schüttelte den Kopf nicht nur um die Frage zu verneinen, sondern auch um die Gedanken abzuschütteln. Dann war sie wieder Arielle. Sie lächelte und versicherte, dass sie weitermachen konnten. Der Mann zuckte die Achseln und bedrängte sie nicht weiter.

Arielle ließ sich nichts mehr anmerken sie spielte ihre Rolle und stahl heimlich blicke auf die Uhr ungeduldig, dass die Stunde zu Ende gehen möge. Aber dir Zeiger bewegten sich nur quälend langsam in Richtung Mitternacht.

Endlich war Simone wieder allein und setzte Mayas Perücke auf. Sie sahen sich nicht besonders ähnlich, aber Simone brauchte auch nur ein paar Sekunden um ihn zur Rede zu stellen, was danach passieren sollte, wusste sie nicht. Die Kamera war wieder versteckt, an anderer Stelle sicherheitshalber.

Sie wartete, es gab nur noch zwei Möglichkeiten und entweder sie bekam das Geständnis und konnte den Film an die Polizei übergeben - am besten an die beiden Typen, die vor dem Haus darauf warteten, dass sie ihre Schicht beendete - oder sie war tot und die Putzkolonne würde ihre missbrauchte Leiche nachher finden. Es war ein schwacher Trost, dass Martins Mörder damit nicht durchkommen würde, wenn er sie tötete, war alles auf Video und die Polizisten würden schnell rausfinden, wer ihr letzter Gast war.

Als plötzlich die Tür aufging, war Simone so in Gedanken und Sorgen vertieft, dass sie sich erschreckt umdrehte.

"Was machst du hier?" herrschte sie der Mann wütend an und durchquerte das Zimmer mit zwei großen Schritten. Ehe Simone den Mund aufmachen konnte, hatte er sie schmerzhaft am Arm gepackt und vom Bett hochgezogen.

"Ich weiß, dass du Martin umgebracht hast." Dafür fing sie sich eine Ohrfeige an, die sie durch das Zimmer geschleudert hätte, wenn sein Griff mit der anderen Hand nicht so erbarmungslos gewesen wäre.

"Und sicher hast du wieder irgendwo eine Kamera versteckt, um das hier aufzunehmen."

Benommen von dem Schlag konnte Simone sich nicht wehren, als er sie fesselte und einen Gummiknebel in den Mund schob. Nicht dass jemand auf ihre Schreie gehört hätte, die Zimmer waren gut isoliert.

Simone kam langsam wieder zu sich, als er die Kamera fand und wütend an der Wand über ihrem Kopf zertrümmerte.

Er packte Simone am Hals und drückte sie in die Laken, dass ihr die Luft wegblieb.

"Du musst mich für selten bescheuert halten Simone."

Simone versuchte etwas zu sagen, aber der Knebel und der Mangel an Luft ließen sie nicht einmal ein Röcheln rausbringen. Krampfhaft versuchte sie, durch die Nase zu atmen.

"Dein lieber Martin hat mir alles erzählt, als er um sein Leben gebettelt hat. Erbärmlich."

Er ließ sie wieder etwas zu Atem kommen. Mit aufgerissenen Augen starrte Sie ihn an.

"Das wundert dich was? Ich weiß alles. Ich hab ´nen Privatdetektiv auf euch angesetzt, sobald ich seinen Anruf bekam. Ihr seid wirklich bescheuert, wenn ihr dachtet, ihr könntet mich erpressen."

Dann rollte er Simone auf den Bauch und zog die Fesseln fester, sodass sie sich durch die Latexhandschuhe tief ins Fleisch schnitten.

"Am Liebsten würde ich dich gleich hier umbringen aber deine Freunde die Bullen warten draußen."

Simone spürte, wie er hinter ihrem Rücken grinste. Die Tränen rannen ihr übers Gesicht.

"Wenn du plötzlich verschwindest, steht für die Bullen fest, dass du der Mörder deines Mannes bist." Jetzt lachte er laut.

"Ich muss nur dafür sorgen, dass deine Leiche nicht so schnell gefunden wird wie seine - Anfängerfehler."

Er zog Simone eine Augenbinde über und zog den Riemen des Knebels straffer, sodass er sich schmerzhaft in ihre Wangen grub.

"Wir müssen noch ein bisschen warten, bis der Laden leer ist. Nicht wahr? So machst du das doch immer, ja nicht auffallen nicht gesehen werden. Praktisch für mich eigentlich wollte ich dich einfach abpassen, nachdem ich mit Maya fertig bin. Aber so ist das auch gut. Dann haben wir zwei halt noch etwas Spaß. Ist nur ärgerlich, dass Maya nicht bezeugen kann, wie ich gegangen bin. Aber mir fällt schon was ein, um dich dafür bezahlen zu lassen."

Er vergewaltigte Simone zwei mal bevor die anderthalb Stunden um waren und schlug sie zwischendurch bis zwei Rippen gebrochen waren. Simone hatte aufgegeben. Er war stärker und wusste alles über sie und Martin und sogar Jessika.

Irgendwann nahm er das fest verschnürte Paket und verließ das Haus über den Hinterausgang. Simone biss vor Schmerz in den Knebel als sich ihre Rippen in die Lunge bohrten, der Speichel rann an ihrem Kinn hinunter und mischte ich mit den Tränen. Er legte Sie in den Kofferraum, sie merkte das, weil ihr Kopf auf dem harten Wagenheber zu liegen kam. Als die Klappe ins Schloss fiel, wagte Simone wieder etwas tiefer zu atmen, die Lunge war nicht punktiert aber jeder Atemzug sandte einen stechenden Schmerz durch den Brustkorb und das Korsett machte das Atmen auch nicht gerade einfacher.

Simone versuchte den Kopf vom Wagenheber zu nehmen aber sie konnte aber jede Bewegung ließ sie vor schmerz in den Knebel stöhnen. Bei jedem Schlagloch schlug ihr Ohr gegen das Metall.

Irgendwann waren die befestigten Straßen zu Ende, die Fahrt wurde langsamer, es schien über Feldwege zu gehen. Simone konnte nicht mehr weinen sie war starr vor Angst aber sie hörte und spürte mit dem ganzen Körper, wie der Wagen immer weiter fuhr. Es roch nach Abgasen.

Als der Mann Simone aus dem Kofferraum riss, war sie benommen von einer leichten Kohlenmonoxidvergiftung, wenigstens betäubte das auch die Schmerzen oder ließ Simone wenigstens gleichgültiger ihnen gegenüber werden.

Ihr Entführer löste die Fußfesseln und schubste sie voran. Simone stolperte voran tiefer in den Wald. Immer wieder stolperte sie über Baumwurzeln oder Zweige schlugen ihr ins Gesicht. Jedes Mal, wenn der Mann sie auffing oder stieß wollte Simone vor Schmerz schreien. Als sie hinfiel, wünschte sie nur noch endlich sterben zu können.

Er nahm ihr die Augenbinde ab und steckte sie in die Tasche. "Ein Stück müssen wir noch. Hure."

Er zerrte sie hoch und schob sie weiter in den Wald. Mit verheulten Augen und darin brennender Schminke konnte Simone nur unwesentlich besser sehen als mit der Binde. Der Vollmond ließ nur wenig Licht durch die Baumwipfel dringen und im Licht der Taschenlampe hinter ihr konnte sie nur ihren eigenen Schatten tanzen sehen.

Simone war eine dumme Kuh gewesen, sie hätte nie wieder in den Club gehen dürfen, schon gar nicht, um den Mörder ihren verachteten Ex zu stellen. Was hatte sie sich dabei gedacht? Jessika. An sie hatte sie gedacht. Wenn sie heute starb, würde Jessika ohne Eltern in dem Wissen aufwachsen, das ihre Mutter eine Mörderin war. Das durfte nicht sein.

Zwei Schritte weiter warf sich Simone den Hang hinunter mit aller Kraft. Der Mann war einen Augenblick überrascht, dachte, sie sei wieder gestolpert. Aber Simone nutzt ihr Moment und rollte weiter den Hang hinunter, bis ein paar Sträucher sie stoppten. Ihr Entführer folgte ihr nur langsam, vorsichtig, um nicht selbst auszurutschen. Mit letzter Kraft raffte sich Simone auf und lief weiter. Sie hatte höchstens zwanzig Meter Vorsprung aber die Überraschung und ihre Verzweiflung auf ihrer Seite.

Plötzlich krachte ein Schuss neben ihr in einen Baum und heiße Splitter spritzten ihr ins Gesicht. Sie rannte weiter immer schneller. Simone wusste sie würde jeden Moment stürzen, sie war viel zu schnell, um an diesem Hang noch bremsen zu können. Zwei weitere Schüsse donnerten neben ihr ins Unterholz. Aber sie hörte auch, wie der Mann stürzte, weil er nicht gleichzeitig zielen und laufen konnte. Sie gewann ein paar Meter.

Dann stürzte Simone selbst, überschlug sich und rollte dann fast hundert Meter den Hang hinunter, bevor sie in einem kleinen Wildbach im Tal zu liegen kam. Alle Knochen taten ihr weh. Die Rippen brannten in ihrer Brust und sie atmete nur noch, weil der Drang zu Atmen noch größer ist als der Wunsch, dass die Schmerzen endlich aufhören. Das kalte Wasser war ein Schock durch das dünne Latex, das sie auf dem Durchgehschwitzen Körper trug. Ein Schock, der ihr ein klein wenig Kraft wiedergab. Sie hatte mühe, mit gefesselten Händen in dem Flussbett aufzustehen aber sie schaffte es und lief den Lauf hinunter. Sie konnte ihren Verfolger nicht mehr hören aber sie wusste, dass er noch immer irgendwo hinter ihr war. Ihre Lungen brannten, sie bekam zu wenig Luft.

Simone merkte nicht mehr, wie sie das Flussbett verließ und auf die Straße stolperte, genau vor die Scheinwerfer eines Lasters, der fast die Kontrolle verlor, als er versuchte auszuweichen.

Die Bremsen kreischten und der Laster rutschte die letzten Meter auf blockierenden Reifen. Nur einen halben Meter weiter und er wäre über die junge Frau hinweggerutscht, die auf der Straße zusammengebrochen war.

Der Fahrer sprang nach einer Schrecksekunde aus dem Wagen und lief auf Simone zu. Den Mann, der einen Augenblick vom Straßenrand her auf ihn zielte, bemerkte er nicht. Der Mann steckte die Waffe weg und verschwand im Wald. Der Fahrer hob Simone auf die nur noch flach atmete und der Puls raste als wollte ihr das Herz zerspringen.

Er machte sich keine Gedanken darum, dass sie wie eine Domina gekleidet war er lud das Mädchen in den Laster und fuhr so schnell er konnte zum nächsten Krankenhaus, während er unterwegs die Polizei informierte.

Simone erwachte zwei Tage später im Krankenhaus. Jessika wartete an ihrem Bett und hielt ihre Hand. Eine Polizistin kam etwas später, um ihr zu sagen, dass sie nicht mehr unter Verdacht stand. Man fahndete nach einem Mann auf der Flucht.