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Marcus Haas

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Körpermenschen

"Das macht mir Angst."

Sie nickte langsam. "Ja, das glaube ich dir. Aber ich wollte es dir trotzdem sagen."

"Früher oder später wär‘ mir schon aufgefallen, dass du schizophren bist."

"Ich habe eine so genannte multiple Persönlichkeitsstörung, das ist nicht dasselbe wie Schizophrenie. Außerdem kann ich das etwas beeinflussen."

Ich war mir nicht sicher, was ich sagen sollte, ich lernte dieses nette Mädchen beim Volkshochschulkurs kennen, wir sind in miteinander essen gewesen aber ich hätte mir nicht träumen lassen, dass etwas nicht mit ihr stimmte.

"Warum sagst du nichts?"

"Ich mache mir Gedanken, wie ich damit umgehen soll. Wie kann ich wissen, mit wem ich es gerade zu tun habe."

"Oh, das merkst du schon. Wir sprechen unterschiedlich, benehmen uns anders."

"Wie viele seid ihr?"

"Nur fünf, früher waren wir Sieben, aber zwei von uns haben sich irgendwie mit anderen Verbunden."

"Das geht?"

"Ja, manchmal. Es wäre vielleicht sogar möglich, alle Persönlichkeiten mit der Zeit zu vereinen. Aber ich glaube nicht, dass ich das will."

"Warum nicht?"

"Weißt du, wir haben viel zusammen durchgemacht, einiges davon war sehr grausam. Jetzt würden wir gern auch ein paar gute Erlebnisse teilen."

Ich schaute zu Boden. "Ich bin mir nicht sicher, ob ich dem gewachsen bin."

"Ich verstehe das."

Ich musterte das Mädchen, in ihrer Vergangenheit ruhte ein grauenvolles beunruhigendes Geheimnis, mit dem sie leben musste. Und ich, ich bekam es schon mit der Angst zu tun, wenn sie nur mit mir darüber redete.

"Du kannst gehen, wenn du möchtest."

Ich schüttelte den Kopf. "Nein. Ich finde dich nett. Naja ich weiß nicht, wie das mit den Anderen sein wird, aber ich möchte jetzt nicht gehen." Ich hatte mich entschieden, wenn es mit uns nicht klappte, dann sollte es eben nicht sein. Aber ich wollte es nicht an meiner eigenen Unsicherheit scheitern lassen.

"Wer sind die Anderen eigentlich."

"Ein Junge, ein kleines Mädchen, ein Mann und noch zwei Frauen."

"Ganz schön viele für einen einzigen Körper." Sie lachte. "Dagegen bist du immer ganz alleine."

"Stimmt auch wieder", gab ich zu, und war froh darüber, dass sie das so locker sah. "Einen Haken gibt es allerdings noch."

Ich war überrascht, was konnte denn jetzt noch dazukommen. "Ja?"

"Jens, der Junge würde gern mal Fußball spielen."

Ich lachte erleichtert, wenn das alles war. "Ich glaube, das lässt sich einrichten." Dann küssten wir uns.