Kurzgeschichten

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Marcus Haas

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Verbunden

110 – meine Hände zitterten, als ich die Ziffern in mein Handy tippte. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, wie konnte ich das auch jemals erklären. Geschweige denn in einer Situation wie dieser.

"Notrufzentrale?"

"Meine Freundin ist gerade entführt worden." Das war der leichte Teil, aber wie sollte ich der Frau am anderen Ende der Leitung klar machen, dass die Entführung Am Dobben stattgefunden hatte und ich mich im Zug nach Delmenhorst befand. Vielleicht hatten wir gerade telefoniert, aber das war eine Notlüge, unser Verbundenheit ging viel tiefer.

"Bitte sagen Sie mir genau, wann und wo das passiert ist."

Es begann schon in frühester Kindheit, eine imaginäre Freundin könnte man sagen, wir spielten zusammen und es war nichts Seltsames dabei, bis mich meine Eltern zu einem Psychiater schickten, der mir erklärte mit fast elf Jahren brauche man keine imaginären Freunde mehr. Etwas komisch war meinen Eltern aber schon dabei, dass ich englisch und französisch fast genauso schnell lernte, wie meine Muttersprache, aber sie förderten das Talent mit Sprachkursen.

"Vor etwa drei Minuten, Am Dobben, Ecke Mendestraße."

"Ich schicke sofort einen Streifenwagen zu Ihnen. Nennen Sie mir bitte Ihren Namen und den der Entführten!"

"Mein Name ist Peter Mann. Meine Freundin heißt Kathrin Willows und kommt aus Kanada." Und dann gab ich ihr noch unsere Adressen.

Mit der Pubertät ging es wieder los ich hörte Stimmen, sah Bilder und dachte, ich würde verrückt werden. Es waren all die Symptome, die zu einer Schizophrenie gehörten - und es machte keinen Sinn.

"Ich sitze im Zug nach Delmenhorst, ich komme sofort zurück"

"Ihre Freundin hat ein Handy, wissen Sie, ob es noch eingeschaltet ist?"

"Nein - Ja." Verdammt, ich musste schneller denken. "Es war noch eine weile an." Log ich.

Ich war siebzehn, als ich in meinem Zimmer hockte und U2 hörte als mir klar wurde, was mich und Kathrin verband. Es war wie ein Traum, ich hörte Musik und ließ meine Gedanken einfach treiben, als plötzlich alles wieder da war, wie zehn Jahre zuvor – ich erinnerte mich kaum noch. Ich wusste, wo ich war, aber ich sah einen ganz anderen Raum, hörte gedämpfte Musik, die nicht aus meinen Kopfhörern kann, und spürte, wie ich geküsst wurde – von einem Mann. Ich war sofort hellwach, aber damit war die Vision auch schon vorbei.

"Geben Sie uns bitte trotzdem die Telefonnummer, wir werden versuchen das Handy zu lokalisieren. Eine Streife wird Sie in Delmenhorst abholen, damit sie Ihre Aussage machen können."

Ich gab Ihr die Telefonnummer, aber wie ich Kathrins Telefon kannte, war die Batterie bestimmt schon wieder am Ende.

Das mit dem küssenden Kerl hatte mich völlig aus dem Takt gebracht, solche Träume hatte ich bis dahin nicht gehabt und ich war ziemlich überzeugt, dass ich ziemlich hetero war.

Ich atmete tief durch und suchte das nächste Stück auf der Musikkassette, die Bilder waren aber nicht weg, sie waren nur nicht mehr so leicht zu sehen. Und etwas hatte sich verändert. Der Mann saß mir gegenüber und ich verstand nicht, was er sagte, aber ich konnte hören, was ich sagte. Naja, es hörte sich so an, als ob die Worte von mir kommen würden, nur meine waren es nicht, sie waren weiblich.

"I can’t do that."

"Sind Sie noch da?"

"Ja, ich bin noch hier." Es war verdammt schwer, sich auf drei Dinge gleichzeitig zu konzentrieren. Das Telefongespräch, die Erinnerungen und gleichzeitig auf die Sinneseindrücke, die auf mich einprasselten. Kathrin lag in einem Lieferwagen, einen Sack über dem Kopf und jemand war dabei sie zu fesseln, während der Wagen über Kopfsteinpflaster holperte. Ihr Mund war mit Klebeband verschossen, Sie versuchte sich zu wehren, aber es mussten mindestens zwei Männer sein, die sie festhielten – und der Fahrer natürlich.

"Bitte suchen Sie nach einem Lieferwagen, weiß, die Aufschrift habe ich... hat Kathrin nicht gesehen."

"Ich gebe das sofort weiter. Hat sie Ihnen noch etwas sagen können?"

Ich zögerte, wie viel konnte ich denen erzählen, bevor sie mich für verrückt erklärten.

"No!" sagte ich/sie, aber der Kerl – er war gar nicht so alt, wie ich zuerst gedacht hatte, tatsächlich eher mein Alter, aber wesentlich kräftiger. Es musste eine Party gewesen sein, es sah aus wie das Schlafzimmer von irgendwelchen Eltern, so wie ich es von amerikanischen Fernsehserien kannte. Der Typ kümmerte sich nicht um das, was sie sagte, sondern griff ihr zwischen die Beine. Er war betrunken, aber eine Entschuldigung ist das natürlich nicht. Ich war sauer, aber ich konnte nichts machen.

"Wich part you didn’t understand?" Dann trat sie ihm in die Eier, und rannte aus dem Zimmer.

"Ich glaube es sind drei Männer, zwei haben Kathrin geschnappt, ein anderer muss den Wagen fahren." Ich zögerte, aber ich musste mehr sagen. "Ich glaube, sie sind Richtung Viertel gefahren. Ich verstehe das nicht, was wollen die von Kathrin?"

"Wir werden versuchen, das herauszufinden. Sie helfen uns sehr, wenn Sie uns alles sagen, was sie von der Entführung mitbekommen haben."

Ich/Sie schloss sich im Badezimmer ein, ich vermute, es waren die starken Emotionen in dieser Situation, die unser Verbindung wieder so klar werden ließen. "Who the fuck are you?" Mir war zuerst nicht klar, dass sie mit mir redete. "I hear U2 and I can see your room. I bet you hear me." Ich kratzte mein Englisch zusammen, aber ich bekam kaum ein räuspern heraus: "Peter."

"Yeah great. I’m Kat, well Kathrin in fact. You are not canadian, are you?"

"German."

"And you’ll go on talking single word sentences?"

"Sorry?"

Dann kam meine Mutter ins Zimmer und "Kathrin in fact" war weg, es dauerte ein paar Tage bist wir uns wiedertrafen – einen besseren Ausdruck haben selbst in den letzten zwölf Jahren nicht gefunden.

Die Geräusche veränderten sich jetzt in dem Wagen, ich hätte auf die Erdbeerbrücke getippt, aber im Kino ist es immer viel leichter eine Fahrtstrecke an den Geräuschen zu rekonstruieren, als in Wirklichkeit.

Ich beendete das Gespräch mit dem Notruf ein paar Minuten später, als der Zug in Delmenhorst einfuhr und tatsächlich wartete schon ein Streifenwagen vor dem Haupteingang auf mich.

"Peter Mann?" Der Beamte hatte mich sofort erkannt, kein wunder, wenn jemand verstört und nervös auf einen Polizisten zusteuert, der wartend neben dem Wagen steht. "Wir bringen Sie zurück nach Bremen zur Einsatzzentrale. Bitte benutzen Sie nicht ihr Handy, für den Fall, dass man Sie anzurufen versucht. Wenn Sie jemanden informieren möchten, können sie das auf dem Revier machen."

Ich nickte und ließ mich auf den Rücksitz sinken. Wieso Kathrin? Es war nicht so, dass wir keine Geheimnisse hatten, aber wir kannten die Leben des Anderen fast genauso gut wie unsere Eigenen. Wir waren sogar ein paar Jahre ein Paar gewesen, als Kathrin nach Bremen zog. Aber es hat nicht geklappt mit uns - zu viele unterschiedliche Interessen und so. 

Unsere Verbindung war nicht telepathisch oder so, wir konnten die Gedanken des Anderen nicht lesen, wir teilten nur Sinneseindrücke und teilweise Emotionen. Im Moment war es Angst, meine genau so, wie ihre, aber Kathrin wusste auch, dass ich bei der Polizei war und dass die Ermittlungen in vollem Gange waren, aber ich hatte auch schon so gut wie alles gesagt, was ich sagen konnte oder wusste.

Das zweite mal, dass wir uns trafen war während einer Deutschklausur.

"I could use your help here?" Ich hätte fast gelacht, aber von diesem Tag an hatten wir immer Bestnoten in unseren Fremdsprachen, der Zeitunterschied half, dass wir uns mit der Nachhilfe nicht zu sehr verzettelten. Abgesehen davon konnten wir nicht viel mit unserer Verbindung anfangen. Wir waren Teenager, hatten unsere Freunde, Hobbies und lebten auf verschiedenen Kontinenten.

Das änderte sich erst mit dem Studium, ich Anglistik und Kathrin Ökonomie mit Schwerpunkt Europa, ich hatte erstmals genug Geld in der Tasche, dass ich ein paar Tage nach Vancouver fliegen konnte – ich verdiente mir was mit Übersetzungen hinzu und bekam BAFÖG. Als wir uns trafen, war es so, als ob man in einen Spiegel sieht, nur sahen wir uns mit den Augen des jeweils Anderen. Uns wurde gleichzeitig schwindelig und wir mussten uns erst mal eine Bank suchen, bis wir unsere Sinneseindrücke sortiert hatten.

"Maybe you could walk with your eyes closed. That would be so much easier."

"Very funny," antwortete ich darauf, aber wenn wir uns auf uns selbst konzentrierten verhedderten wir unsere Beine nicht ganz so oft.

Auf dem Revier waren schon einige Leute dabei eine Peilung für die Handynummer zu veranlassen, die ich der Beamtin gegeben hatte, ich hoffte nur, dass das Handy tatsächlich eingeschaltet war.

"Haben Sie eine Idee, warum jemand Ihre Freundin entführen sollte, ein dummer Scherz steckt hoffentlich nicht dahinter?"

"Ganz sicher keine dummer Scherz! Aber ich weiß wirklich nicht, was dahinter stecken könnte. Kat ist vor ein paar Jahren aus Vancouver hergezogen, sie ist nicht besonders wohlhabend oder so was."

"Danke, wir werden das Überprüfen. Meine Name, ist David Korrasch, ich leite die Ermittlungen."

Ich beobachtete die Beamten, wie sie Telefonanrufe tätigten und Informationen einholten, ich hätte mir gewünscht, wenn das etwas mehr nach diesen Serien ausgesehen hätte, wo die Typen auf die Straße stürmen und am laufenden Band irgendwelche Hinweise finden, aber diese Ermittlung schien mehr oder weniger im Kreis zu verlaufen. Man hatte mir angeboten, mich nach Hause zu bringen und dort auf eventuelle Anrufe zu warten, man würde sich dann sowieso bei mir melden, wenn es neue Erkenntnisse gab. Ich lehnte ab und starrte vor mich hin. Von Kat sah ich nichts, sie hatte immer noch die Augen verbunden und das Holpern des Wagens hatte nicht aufgehört, es fühlte sich aber nichtmehr wie eine befestigte Straße an, eher wie ein Feldweg.

Mit unseren Spielen hatten wir allerdings erst angefangen, als Kat nach Bremen kam. Genau genommen sogar erst, nachdem wir unsere Beziehung wieder beendet hatten und Kat sich eine eigene Wohnung im Viertel gesucht hatte. Es fing damit an, dass ich eine Arbeitsmappe in der Bibliothek liegen ließ. Kat hatte das mitbekommen und weil sie gerade in der Nähe war, brachte sie mir die Mappe, noch bevor ich sie vermisst hatte. Zwei Wochen Später ließ Kat ein Buch in der Straßenbahn liegen, ich war mir nicht ganz sicher, ob mit Absicht oder aus Versehen, aber ich schaffte es, das Buch zu holen, bevor es in irgendeinem Fundbüro landete. Von da an wurde das Liegenlassen und Wiederfinden zu einem Spiel zwischen uns,oft mit kurzen Nachrichten, wie einer Verabredung zum Essen oder einem Diskobesuch, die wir irgendwo im Buch oder was auch immer gerade unterwegs war versteckt waren. Natürlich klappte das nicht immer, manchmal hatte sich schon jemand anders den Gegenstand eingesteckt – es waren aber niemals irgendwelche wertvollen Sachen, oder einer von uns war einfach gerade unaufmerksam, wenn der andere etwas irgendwo deponierte.

Plötzlich hielt der Wagen an und Kat wurde aus dem Fahrzeug gezerrt, ich spürte den sandigen Boden unter Ihren Stiefeln. Sie stieß mit der Schulter gegen den Rahmen einer Tür und wurde dann unsanft auf einen Stuhl gesetzt. Dann zog man ihr den Sack vom Kopf. Kat schaute sich verwirrt um, aber die Fenster der Hütte waren verhängt, es musste sich um einen Abstellraum oder so was handeln, denn abgesehen von Regalen und Gartengerätschaften war nichts zu sehen. Durch die Tür konnte ich ein Stück des weißen Lieferwagens sehen, aber dann wurde die Tür geschlossen. Im Halbdunkel konnte ich nicht viel von den beiden Männern erkennen, außerdem trugen sie Skimasken.

"Hallo Peter, ich bin sicher, du kannst mich sehen. Was ich nicht weiß, ist, ob du frei reden kannst, aber ich bin sicher Kat kann mit dem Kopf nicken."

Ich schaute mich im Polizeirevier um und spürte, wie Kat den Kopf schüttelte.

"Okay, dann such dir mal einen Ort, wo wir ungestört reden können."

Ich war völlig geschockt. Wie konnte jemand von unserer Verbindung wissen. Sicherlich, wir hatten das gegenüber Freunden mal erwähnt, als wir noch ein Paar waren, aber das war nie ernst genommen worden. Zwei verliebte halt, die ihre Freunde auf den Arm nehmen wollten – und das waren noch die angenehmsten Reaktionen. Dass der Kerl in der Skimaske davon wusste, war einfach unmöglich. Mit wackeligen Beinen stand ich auf und erkundigte mich nach der Toilette.

Ich vergewisserte mich vergewisserte mich, dass ich allein war. "Wir können reden". Ich hörte, wie Kat das weitergab, ihre Stimme zitterte vor Angst.

"Klasse. Fast wie ein Telefon, nur dass man uns so nicht abhören kann." grinste der Kerl unter der Maske. "Jetzt hör gut zu!! Uns ist da ein kleines Malheur passiert, jetzt wimmelt es an einem unserer Depots von Bullen. Du wirst nicht von denen gesucht, deshalb hast Du die besten Chancen da reinzugehen und unser Paket zu holen."

Mir verschlug es fast die Sprache, als der Kerl mit kurzen Worten erklärte, dass der Überfall, von dem ich heute morgen in der Zeitung gelesen hatte, ein Bandenkrieg war und ich in einer Seitenstraße neben dem Lokal 2kg Heroin suchen sollte, wären die Polizei immer noch dabei war, den Tatort nach Spuren abzusuchen. Aber ich hatte keine andere Wahl, wenn ich der Polizei davon erzählte, würden die mich für verrückt halten.

Ich suchte Korrasch, der schon wieder am Telefon hing und die Ermittlungen koordinierte. "Ich kann hier nicht länger warten, das macht mich völlig wahnsinnig," erklärte ich, als er endlich auflegte.

"Ja, das verstehe ich," nickte Korrasch. "Sie können nach Hause fahren, wir leiten Anrufe auf hier Handy über die Dienststelle um und können ihre Anrufe so zurückverfolgen und mithören. Sie können gehen."

Ich war erstaunt, wie bereitwillig mich der Hauptkommissar gehen ließ, aber abgesehen davon, dass ich auf den Anruf warten sollte, der nie kommen würde konnte ich ja auch wirklich nichts tun und stand den Beamten nur im Wege. Korasch drückte mir seine Visitenkarte in die Hand und wandte sich dann wieder seinem Team zu.

Ich hätte mich von einem Beamten fahren lassen können, aber ich lehnte das Angebot ab und nahm die Straßenbahn, schließlich hatte ich nicht vor die Ermittler wissen zu lassen, dass ich nicht auf direktem Wege nach Hause fahren würde. Währenddessen hörte ich Kat, wie sie erklärte, dass ich jetzt unterwegs war. Und dann wurde mir klar, wie der Kerl auf uns aufmerksam geworden sein musste. Im Viertel konnte man immer wieder beobachten, wie kleine Drogenpakete in irgendwelchen Winkeln und Ecken deponiert wurden, damit sie von der Polizei nicht am Körper des Dealers gefunden wurden. Kats und mein Spiel musste für einen Beobachter ausgesehen haben wie ein Drogenaustausch. Von da war es immer noch ein großer Schritt, um auf unsere geistige Verbindung zu schleißen, aber es war ein plausibler Anfang. Mir wurde übel, bei dem Gedanken.

Als ich in die Seitenstraße einbog, wurde mir klar, wovon der Typ gesprochen hatte. Absperrband flatterte im Wind und Leute in weißen Overalls untersuchten die Gegend. Ein paar Schaulustige und Reporter standen herum. Das Drogenversteck lag nicht in unmittelbarer Nähe des Tatorts, aber als gesuchter Verbrecher hätte ich mich da auch nicht in die Nähe getraut. Ich näherte mich, wie ein weiterer neugieriger Passant – oder zumindest so, wie ich mir einen neugierigen Passanten vorstellte. Wie sollte ich es nur anstellen, das Paket zu holen, ohne aufzufallen. Schließlich drückte ich mich in einem unbeobachteten Moment in den Mauervorsprung und tastete nach den Drogen. Es war nicht ein Paket, wie der Typ gesagt hatte, sondern eine Anzahl kleiner weißer Tüten, die ich strategisch in meinen Taschen verteilte, als sich eine Hand auf meine Schulter legte.

"Na das ist mal ein interessantes Verhaltensmuster für jemanden, der gerade die Entführung seiner Freundin angezeigt hat," erklärte David Korrasch.

Don't say a word," entfuhr es mir an Kat gewand, hoffentlich verplapperte Sie sich jetzt nicht. Ich versuchte mich darauf zu konzentrieren, ob Sie ihrem Entführer erzählte was gerade passierte, während ich mich dem verdutzten Hauptkommisar zuwandte. "Ich kann das erklären!"

"Das sage ich meiner Frau auch immer. Aber bei Dir hoffe ich, dass die Erklärung, warum die ein Drogendepot ausräumst wirklich gut ist."

"Man will Kat freilassen, wenn ich die Drogen hier zu ihnen bringe, was sollte ich tun?"

"Dein Verhalten ist nicht besonders logisch, erst meldest Du der Polizei eine Entführung, dann schleichst Du dich davon und verfügst offenbar über wissen eines Insiders. Ich fürchte da steckt noch mehr dahinter."

Ich saß wirklich in der Zwickmühle. "Hören Sie zu, ich weiß das klingt jetzt unglaublich..."

"Und diese Einleitung macht das Ganze so viel Glaubwürdiger."

"Ich habe eine telepathische Verbindung zu Kathrin Willows, ich kann sehen, hören und fühlen, was sie wahrnimmt, so wusste ich von der Entführung, obwohl wir nicht telefoniert haben."

"Eine andere Erklärung für Dein Wissen wäre, dass Du mit den Entführern unter einer Decke steckst. Dass Frau Willows Handy den ganzen Tag abgeschaltet war, haben wir schon 5 Minuten nach Deinem Anruf gewusst, für wie dämlich hältst Du uns."

Ich ließ den Kopf sinken.

"Aber das spielt keine Rolle, wir werden das Spiel fortsetzen. Du tust, was Dir angeblich aufgetragen wurde und wir werden die Details später klären, wenn wir sichergestellt haben, dass es Kathrin Willows gut geht. Ich wollte nur, dass Du Bescheid weißt und keine Dummheiten machst."

David Korrasch verschwand um die nächste Ecke und stieg in einen Zivilen Audi, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite parkte, ich könnte natürlich versuchen den Wagen abzuhängen, aber mit der Straßenbahn würde das nicht so leicht werden. Abgesehen davon konnte ich mir nicht vorstellen, das Korrasch mir seinen Wagen zeigte, ohne nicht ein halbes Dutzend in der Umgebung verteilt zu haben.

Kat erklärte ihrem Entführer inzwischen, dass ich die Drogen hätte und auf dem Weg zum Übergabepunkt wäre. Mir zitterten die Knie, wo war ich da nur reingeraten. Kathrins Entführer hatte sich inzwischen auf einem Schemel ihr gegenüber niedergelassen und schaute abwechselnd auf Sie und seine Uhr, das alles schien ihm nicht schnell genug zu gehen, mir auch nicht, ich wünschte, das alles wäre endlich vorbei. Plötzlich hörte ich, wie es bei Kat zu regnen anfing. Hier in Bremen war alles trocken, aber als ich mich umschaute, konnte ich Regenwolken im Norden sehen, eher Nordosten. Ich hatte mich mit der Erdbeerbrücke gehörig vertippt, aber das spielte keine Rolle, ich konnte nichts für Sie tun. Aber wenn man ungestört sein wollte, war dann nicht der Truppenübungsplatz in Schwanewede ein idealer Ort, wenn gerade keine Übungen am Wochenende stattfanden, tummelten sich da höchstens ein paar Spaziergänger mit ihren Hunden. Der Kerl hatte gesagt, er würde Kat freilassen, sobald ich die Drogen seinem Partner übergeben hatte, den ich in einer Stunde im Bürgerpark treffen sollte, aber darauf wollte ich mich nicht verlassen. Ich nahm mein Handy und suchte Korrasch Visitenkarte heraus, ich musste diesen Hinweis weitergeben, ganz gleich, was er von mir dachte.

Korrasch klang nicht gerade begeistert und es tat weh, daran zu denken, dass Kat diese wenig enthusiastische Antwort mithören musste, aber er versprach ein Einsatzkommando in die Gegend zu schicken, damit sie sich umsehen konnten. Wenigstens etwas.

Ich war fast eine halbe Stunde zu früh am vereinbarten Treffpunkt und konnte fast fühlen, wie die Polizei mich im Visier hatte, unauffällig natürlich, ich hätte keinen der Beamten identifizieren können, obwohl der Park zu dieser Jahreszeit nicht gerade vor Besuchern wimmelte. Ich saß auf der Bank und fror, es war einfach zu kalt zum Warten, aber zum Rumlaufen fehlte mir die Kraft, meine Knie waren weich und meine Hände zitterten, obwohl ich sie tief in den Taschen vergraben hatte.

Plötzlich ging alles ganz schnell. Ein Mann setzte sich zu mir und kaum hatte er das vereinbarte Zeichen gegeben, als eine Horde bewaffneter Polizisten auf uns zustürmte. Ich erstarrte, als ich die gezogenen Waffen sah, die nicht nur auf den Fremden, sondern genauso auch auf mich gerichtet waren. Fast im selben Moment wurde die Tür der Hütte eingerammt, in der sich Kat befand, der Entführer fiel fast vom Stuhl, als das SEK die Hütte stürmte. Zeit widerstand zu leisten blieb ihm nicht.

Später im Polizeirevier saßen Kat und ich eng aneinander gekuschelt auf einer Bank, ein Sanitäter hatte versichert, dass Kat in Ordnung war, aber das war nur körperlich. Man erklärte, dass der Lieferwagen einem Spaziergänger verdächtig vorgekommen war, als er auf das Übungsgelände fuhr. Als Korrasch sein Team hinschickte waren Beamte bereits unterwegs gewesen, sich die Sache anzuschauen und im weichen Sand war es leicht gewesen die Spuren des Fahrzeugs bis zu der Hütte zu verfolgen, der Regen hatte sie glücklicherweise noch nicht verwischt.

Ob Korrasch mir abnahm, dass wir nichts mit den Kerlen zu tun hatten, habe ich nie erfahren, aber es war keine gerichtsverwertbare Verbindung nachzuweisen und so ließ man uns laufen. Kathrin ist zwei Wochen später nach Kanada zurückgekehrt.