Kurzgeschichten

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Marcus Haas

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Die Tropeninsel

Es war ein warmer Tag auf der Insel, wir wollten hier das Wochenende verbringen, wir das waren Sophie, Karen Martin und ich. Ein Sandstrand wie man ihn sonst nur aus Märchen kennt umgab die Insel, das gemietete Segelboot lag etwa hundert Meter vor dem Strand an der Ankerboje, kein Grund die Korallen zu schädigen. Martin und ich bemühten uns das Beiboot auf den Strand zu ziehen, währen Karen und Sophie sich schon daran machten die Sachen auszuladen. Wir wollten hier am unberührten Riff ein Paar Tauchgange machen jemand hatte uns diese Insel als Geheimtipp verraten, wie geheim konnte sie wohl sein, wenn jedem Fremden dieser Tipp gegeben wurde. Zumindest würden wir in den nächsten Tagen nicht gestört werden, man musste sich lange vorher anmelden um eine Genehmigung zu bekommen diese Insel zu besuchen und hier Tauchgänge durchführen zu dürfen. Ansonsten konnte es schnell passieren, dass man Besuch von der Küstenwache bekam.

"Nun mach‘ nicht schlapp! Nur noch ein paar Meter." Feuerte Sophie uns an, und gestikulierte wild um anzudeuten bis, wohin das Boot gezogen werden sollte.

"Oh, du kannst gerne helfen." Aber ich erwartete nicht, dass sie auch nur einen Finger rühren würde.

"Nö, mach ich nich‘, ihr seid doch die starken Männer, ihr dürft ruhig eure Muckis spielen lassen!" dabei setzte sie ihr hübschestes Schmollgesicht auf, als ob ich Sie beleidigt hätte. Dass Sophie in der Regionalliga boxte, möchte ich hier nur ganz am Rande erwähnen.

Hier würde keine Flut der Welt unser Boot davon schwemmen, Martin und ich griffen uns die prallgefüllten Pressluftflaschen und trotteten zum Lagerplatz. Unter zwei weit über den Strand geneigten Palmen hatten Sophie und Karen einen schattigen Lagerplatz ausgesucht.

Sophie hatte sich die vier Tarrierjackets unter die Arme geklemmt und legte diese nun auf eine der ausgebreiteten Badematten. Wir stellten unsere Ausrüstungen zusammen und begannen schließlich auch die Tauchanzüge anzulegen, während Karen sich zur Abkühlung schon ins Wasser gelegt hatte.

Unsere kleine Tauchgemeinschaft besaß durchweg recht schlichte Neoprenanzüge in Dunkelblau oder Schwarz. Einige Zeit war es Mode gewesen sich grellbunt in die Fluten zu stürzen, aber diese Zeiten sind glücklicher Weise vorbei, grelle Farben irritieren die Fische im Riff, und beeinträchtigen das Fortpflanzungsverhalten der dortigen Lebewesen.

Mit den Flossen in der Hand wateten wir über den feinen Sand hinaus, bis wir bis zu den Schultern im Wasser standen. Nur Karen musste ihren schlanken Hals recken, um noch mit ihrer niedlichen Himmelfahrtsnase über die Wellen zu reichen, sie ging ein paar Schritte zurück, und winkte mir ich solle ihr folgen. "Nun komm schon, ich muss mich irgendwo abstützen, wenn ich meine Flossen anziehe.

Dann tauchten wir ein, in die faszinierende Unterwasserwelt wir hatten uns darauf geeinigt, auf 20 Meter Tiefe am Riff entlang zu tauchen. 

Dann tauchten wir ab, fragten nochmals das OK-Zeichen von einander ab und glitten hinab in die Tiefe, das Blau des Meeres verschlang uns. Man, und Frau, konnte hier weit sehen, bestimmt über vierzig Meter. Und gerade am Rande der Wahrnehmbarkeit stahl sich ein Hammerhai über den sandigen Grund. Nur schemenhaft, war er zu erahnen. Bevor sich auch nur der Gedanke an seine Anwesenheit festsetzen konnte, verschwand das Tier wieder, ich war mir nicht sicher, ob ich der Einzige war, der den Hai gesehen hatte.

Wir waren jetzt etwa 20 Meter tief und nur das Blubbern der Blasen zerriss die nahezu feierliche Faszination dieser Unterwasserwelt. Am Riff entlang betrachteten wir die Korallen, wie sie sich auf ihren selbst gebauten Felsen in der sanften Strömung wiegten, und die Schwämme und Würmer, die mit ihren Tentakeln hektisch Plankton in ihre Mäuler schaufelten.

Ein Zackenbarsch erschreckte Karen, als er unerwartet hinter einer großen überhängenden Koralle hervorlugte. Ganz vorsichtig trauten Sophie und ich uns näher heran. Es war ein wirklich großes Exemplar und mit weit aufgesperrtem Maul saß er da unbeweglich und eine kleine Makrele stapfte in seinem Maul herum und friemelte wohl Essensreste zwischen seinen Zähnen hervor. Ich ließ mich etwas zurücktreiben und winkte Karen und Martin heran, dass sie auch einen Blick auf den Barsch und seinen Hauswirt werfen sollten. Nach einigen Minuten beschlossen wir langsam zurückzukehren, auch mit 15Literflaschen reichte unser Luftvorrat doch nicht, um mit den einzuhaltenden Reserven länger als 22 Minuten unten zu bleiben.

Langsam mühten wir uns gegen die leichte Strömung zurück zum Ausgangspunkt unserer Exkursion, als ich ein Martin ein Stück unter uns eine Muräne aus ihrem Versteck hervorschießen sah. Was immer sie aufgeschreckt hatte, wir beobachteten das lange Tier aus sicher Entfernung von oben und als es sich aus unserem Gesichtsfeld verzog, begannen wir mit unserem Aufstieg, wir waren schon zwei Minuten über der geplanten Zeit. Nur zur Sicherheit legten wir in 3 Metern Tiefe noch einen kurzen Zwischenstopp ein und ließen einen Schwarm Makrelen vorbeiziehen.

Etwas erschöpft, aber sehr glücklich stapften wir wieder den Strand herauf. "Habt ihr den Hai gesehen?"

erkundigte ich mich, begierig zu erfahren, ob ich mir die Erscheinung nur eingebildet hatte.

"Was für`n Hai?"

"Einen Hammerhai, Sophie, ich wollte es fast nicht glauben, aber ich meine ich hab‘ ihn auch gesehen." bekam ich Unterstützung von Martin. 

"Und wieso habt ihr uns nicht auf den Hai aufmerksam gemacht?" intervenierte Karen, inzwischen waren wir schon dabei, einander aus der Ausrüstung zu helfen.

"Er war fast schon wieder weg, als wir ihn gesehen haben, aber ich schlage vor, wir gehen morgen mal auf dreißig Meter und schauen nach, ob das Tier hier sein Revier hat." machte Martin einen versöhnlichen und dann auch einstimmig akzeptierten Vorschlag.

Als wir schließlich die Tauchanzüge zum Trocknen über eine umgestürzte Palme gelegt hatten, einigten wir uns, dass Sophie und Martin das Abendessen, und ein paar kühle Getränke von der Jacht holen würden, wären Karen und ich, schon mal das Lager für die Nacht aufschlagen wollten. Ein paar Luftmatratzen unter Palmen, was könnte es Schöneres geben, als auf einer einsamen Insel unter freiem Himmel zu schlafen, außer vielleicht eben nicht zu schlafen. Abwechselnd auf den Blasebalg tretend bemühten wir uns die Matratzen in eine akzeptable Unterlage zu verwandeln. Dann sollten eigentlich leichte Decken genügen, um uns gegen die Kühle der Nacht zu schützen. Sollte das wider Erwarten nicht ausreichen, würde mir schon was einfallen, gab ich Karen mit einigen ungezogenen Hintergedanken zu verstehen, und sie verstand sehr wohl, und lächelte breit.

Wir kuschelten uns mit einer Decke über den Knien aneinander und warten bis Sophie und Martin sich bequemten wieder zu erscheinen.

"Wann wird hier die Sonne untergehen?" "Nicht mehr lange hin, `ne Halbe- bis Dreiviertelstunde möglicherweise." Ich warf einen klugen Blick auf meine Uhr, aber die sagte mir auch nicht mehr als, was ich ohnehin nicht wusste, Martin war derjenige, der sich in dieser Gegend besser auskannte.

"Ich hoffe, die beiden bringen eine Lampe mit."

"Wofür brauchst du eine Lampe?"

"Willst du etwa gleich ins Bett, wenn die Sonne weg ist?" Und reckte den Hals, um mir besser ins Gesicht sehen zu können, als ob sie nicht genau wusste, was ich darauf antworten würde.

"Na ja, ich dachte mir wir liegen ja jetzt schon fast."

"Und ich würde gern noch etwas in der Dämmerung spazieren gehen, mir die Insel ansehen, wir haben doch nur einen Tag hier!"

"Du hast ja recht, erkunden wir die Insel ein wenig, das wird sicher spannend!"

Karen schenkte mir eines ihrer hübschesten Lächeln, sie bekam stets, was sie sich wünschte. 

 "Na ihr Turteltauben? Haben Sophie und ich wieder was verpasst?"

"Nur wenn du zu diesen Voyeuren gehörst?"

"Piraten, Meerjungfrauen oder so was, meinte ich eigentlich!"

"Non, mon amie. Pas du tout," lächelte Karen zurück.

Unser Abendessen bestand aus einheimischen Früchten und australischem Wein, welcher besser ist als sein Ruf.

"Wollt ihr mitkommen und die Insel erkunden."

"Oh nein, Karen, wir werden uns heute früh schlafen legen, nicht wahr Martin."

"Aber ja Sophie," grinste dieser, "wir müssen uns von der langen Reise erholen!"

"Gut, wie ihr wollt. Aber ich bin noch ganz aufgekratzt und könnte jetzt noch nicht schlafen."

Karen und ich machten uns auf den Weg die Dämmerung spendete noch genügend Licht, und die kühle Brise zerzauste ihr Haar, das Sie zum Trocknen aufgeknüpft hatte. Die Palmen wiegten sich im Wind und wir lauschten der sanften Brandung, die unsere Füße sanft umspülte. Als wir weiterkamen, stießen wir auf den einzigen Berg der Insel. Steil fiel sein Hang bis ins Wasser hinunter und dort weiter bis zum Meeresboden wahrscheinlich an die tausend Meter tief, der Berg ragte aber höchstens fünfzig, vielleicht fünfundsiebzig Meter in die Höhe, von dort würde man eine unbeschreibliche Sicht über die Insel und den Ozean haben, wir beschlossen als das Massiv zu erklimmen. Hand in Hand bestiegen wir den schmalen Pfad, von Tieren und anderen Besuchern dieser Insel nur spärlich ausgetreten, eine Eidechse huschte vorbei. Die Kuppe war wie eine Aussichtsplattform, wir setzten uns und blickten in die Runde, über das Meer die palmenbewachsene Insel, nicht größer als ein Fußballfeld.

Dazu das zirpen der Zikaden, die Schreie der Vögel in der Nacht und der ruhige Atem Karens in meinen Armen, es war einfach wunderbar.

"Hast du das gesehen?" "Was denn?"

"Ein Licht, draußen auf dem Meer?" Ich blickte neugierig in die Runde konnte aber nicht erkennen, was Karen gesehen hatte. "Bestimmt eine weitere Jacht, die jetzt auf dem Weg in einen sicheren Hafen für die Nacht ist."

"Ja, du hast wahrscheinlich recht." Stimmte sie zu und schmiegte ihren warmen Körper enger an den meinen. Ich schlang meine Arme um Sie und deute hinüber zu einem Schwarm von Vögeln, die sich aufgeregt kreischend von ihrem Schlafbaum erhoben hatten, sanft rieb ich meine Wange an der ihren und wir beobachten, wie sich das Federvieh wieder beruhigte, und sich zwitschernd, und mit viel Geflatter erneut zur Nachtruhe niederließ, was mochte sie nur in dieser friedlichen Nacht aufgescheucht haben.

Der folgende Morgen begann sehr früh, gegen sechs, mit der aufgehenden Sonne war auch unsere Truppe wieder wach. Wir wollten zusehen wie die Tierwelt unter Wasser den neuen Tag begrüßte und vielleicht auch den Hai wiedersehen. Die Chancen dafür waren nicht schlecht, der Wind hatte sich nicht gedreht in dieser Nacht und die Strömung sollte noch dieselbe sein, wie gestern Nachmittag.

Das Wasser war klar und warm, als wir uns in die Tiefe gleiten ließen. Aber wir blieben nur ein paar Minuten auf dreißig Metern, hier unten war einfach zu wenig los, wir einigten uns also auf fünfzehn Meter.

Plötzlich begann Sophie zu gestikulieren, sie hatten einen Papageienfisch entdeckt, der sich gerade aus seinem Schleimkokon befreite.

Wenn man ganz ruhig und gleichmäßig atmete, störte die Fische das Blasen der Lungenautomaten kaum und man konnte sich wirklich dicht an die Fische heranschleichen. Ich folgte dem Papageienfisch eine Weile und versuchte in eine günstige Position für ein Foto zu kommen aber ich musste aufgeben, weil der Fisch ständig andere Korallen anknabbern wollte. Ich konnte die anderen schließlich nicht ewig warten lassen. Ich würde sicherlich noch Gelegenheit haben Fotos zu machen.

Plötzlich tauchten zwei Haie vor uns auf, die vor dem Riffhang ihre Kreise zogen, Weißspitzen Riffhaie. Das war nicht so aufregend wie der Hammerhai von gestern aber immerhin.

Nach ein paar Minuten zogen die anderen weiter, während ich noch einen Augenblick wartete, um das perfekte Foto zu schießen. Als ich dann den anderen nachschwamm, fiel mir zu meiner rechten ein Schatten auf der mich zu verfolgen schien. Ich drehte mich um und sah einen aggressiven Drückerfisch, der wütend auf mich zukam, ich musste versehentlich in sein Revier geraten sein. Drückerfische knabbern normalerweise an Korallen und können einen Sporttaucher wie mich ziemlich übel zurichten.

Zuerst dachte ich daran mich so schnell wie möglich aus dem Staub zu machen, aber gegen den Fisch konnte ich kaum bestehen. Zum Glück hatte mir mein alter Tauchlehrer mal erzählt, dass man sich auf den Rücken legen soll, um dann langsam das Revier zu verlassen. Zu meiner Erleichterung griff der Fisch mich nicht an, nachdem ich mich auf den Rücken gelegt hatte, sondern begleitete mich drohend und aufmerksam, bis ich seine für mich leider unsichtbare Reviergrenze passiert hatte.

Als ich mich wieder umdrehte, sah ich, dass meinen Tauchpartnern das Missgeschick aufgefallen war. Insbesondere Karen schien vor Lachen Mühe zu haben ihr Mundstück m Mund zu behalten.

Der Tauchgang ging ohne weitere Zwischenfälle zu Ende, aber dass ich mich einem Drückerfisch unterworfen hatte, durfte ich mir noch jahrelang an den Taucherstammtischen vorhalten lassen.