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Marcus Haas

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Farbleere

Weimar, den 10. Oktober 1795

"Welch ein Erhabener Gedanke! uns lehrt der Unsterbliche Meister künstlich zu spalten den Strahl, den wir nur einfach gekannt." Das ist ein pfäffischer Einfall! denn lange spaltet die Kirche Ihren Gott sich in drey, wie ihr in sieben das Licht.

(Goethe an Schiller)

Ich hab Physik studiert, ich armer Tropf, und bin, weiß Gott, viel klüger nun als wie zuvor. Doch mit dem Licht da hab ich meine Schwächen ist es weiß nun von Natur oder ist´s seine Art zu brechen. Farblos ist´s das weiß ich wohl, das Licht ist doch nur ein Teilchen das sich rasch bewegt, aber Farbe hat es keine. Nur die Energie des Teilchens die ist´s die uns die Welt so prächtig färbt, nicht die Natur nur unser Auge sieht die Farbe. Mag sein, nicht einmal dieses nimmt sie wirklich war, kann es doch auch nur drei verschiedene Energien unterscheiden. Die Farbe, ja was ist sie dann, nur eine Einbildung des regen Geistes. So wird´s wohl sein. Das Licht es ist nicht weiß und ist nicht bunt, unterscheidet sich nur in der Frequenz. Huch, was sag´ ich da, die Sache wird ja immer Komplizierter.

Hab ich nicht grad´ behauptet das Licht sein ein Teil, von klugen Köpfen auch Photon genannt und plötzlich entschlüpft es mir, es hat eine Frequenz, die wir einteilen nach Farben, doch die Farben, die gibt es nicht das hab ich mir schon klar gemacht.

Du böses Ding, ´, wie du mein liebes Photon vielleicht würd. Bist ein Teilchen und bist Welle. Doch mein Geist, er will´s nicht vereinen zu unterschiedlich sind die Aspekte. Das Prisma spaltet dich, ha dann bist du eine Welle. Aber oh nein, die Photozelle bemerkt nur ein Photon, eines nach dem andern, dann bist du Teilchen.

Bist Welle oder Teilchen wie es dir beliebt, oder bist du beides und zugleich. Ist es nur mein Unvermögen beides in ein Wort zu kleiden den mein Verstand begreifen will. In meiner Welt ist´s entweder Teilchen oder Welle. Was wenn ich nun so klein wär´ wie du mein liebes Photon vielleicht würd´ ich´s dann verstehen, wenn ich selbst wär´ weder Welle noch Teilchen sondern beides und zugleich.

So ist es also wieder nur mein Geist, der mir macht den Widerspruch, er kann nicht vereinen, was ich als zwei kenne, kann nicht binden was ich trenne, mir fehlen die Worte. Und diesem weder Teil noch Welle will ich eine Farbe geben welch Unterfangen, was maß ich mir da an.

Nicht einmal weiß ich, ob es nun fliegt oder schwingt und sehe trotz allem eine Farbe, und wenn das Teilchen schwingt, dann durch den ganzen langen Raum, was sagt das mir? Und ich sehe seine Farbe. Es bewegt sich schneller als ich schauen kann und trifft es mein Auge seh´ ich seine Farbe. Was soll ich noch sagen kann man das verstehen?

- Kannste doch rechnen, was willste denn noch?

Wer spricht, reißt mich so gemein aus meinem Sinnen? Wie lange lauscht du schon. Meine geheimen Gedanken liest du doch wohl nicht.

- Ich bin´s das Wellikel, nicht Teilchen, nicht Partikel.

Willst du mich jetzt nerven? Werd´

ich irre, dass ich jetzt schon Stimmen höre?

- Irre bist du sicherlich! Doch nicht durch mich.

Und überhaupt! Seit wann reden Photonen in Reimen. Schlimm genug, dass ich jetzt stimmen höre.

- Nun lass mich doch. Diesen einen Spaß, den hab ich noch.

Apropos, wo bist du überhaupt. Ich seh´ dich nicht.

- Und würdest du, dann wär´ ich schon vergangen. Hier mit dir zu plaudern, das ist mein Verlangen.

Sei´s drum, du weißt was mich bewegt, so sage mir und sprich, welche Farbe hat das Licht.

- Das mein Freund kann ich nicht sagen. Kannste dich noch so plagen.

Ha! Du weißt es nicht. Ich hab doch recht? Gib´s ruhig zu, du bist genauso klug wie ich.

- Da mein Freund, da hast du recht. Doch mein Wissen, das ist echt.

Also, wie lange willst mich noch foltern. Sag mir, was ich seh´. Ich mag nicht länger Warten.

- Hi, hi. In meiner Welt ist immer Nacht. Zu keiner Farbe bin ich je erwacht.

Willst du meiner höhnen. Du solltest es doch besser wissen, du lebst in der Welt, die ich nicht begreif´. Nun klär mich endlich auf.

- Ich bin so schnell, kein Licht kann ich mehr sehen. Vom Rand des Alls komm´ ich, zu seinem Ende geh ich. Doch tu´ ich´s in der Zeit, in der Uhren nur noch stehen.

Verulk mich nicht, Milliarden Jahre brauchst du für den Weg. Wohl eine Ewigkeit, wenn ich´s so sagen darf.

- Deine Ewigkeit, sie ist für mich vergangen. Ich bin vorbei, bevor sie überhaupt hat angefangen.

Und doch wechseln wir viele Worte. So scheinst doch etwas Freizeit zu haben. Nun wenigstens von Zeit zu Zeit.

- Von Ort zu Ort, das trifft es besser. Bin grad´ gefangen in deinem Messer.

Das mein Freund ist nur mein Brieföffner. Aber Freund, wie kann man dich fangen, so schnell, wie du saust, durch Raum und Zeit.

- Ein Atom hat mich absorbiert. Haste das Mal ausprobiert.

Kommst du wieder los frag ich besorgt, armes Teilchen gehalten von einem Elektron, das wohl auch nicht ist weder Welle noch Teilchen.

- Ganz spontan. Jetzt bin ich wieder frei. Eile, eile in die Ferne, ...

Schade, da ist es wieder fort. Hätt´ zu gern gewusst, was sich auf frei reimt. Und klüger bin ich trotzdem nicht, ich armer Wicht. Das einzige Photon, das ich treff´, in meinem Raum ist blind und dichtet, das hilft mir kaum. Schluss jetzt mit den Reimen, ich will wissen, welche Farbe das Licht hat, das treibt mich um, das treibt mich an. Zu denken und zu lernen, das ist, was ich möchte, bin nur ein Mensch und alles was ich will ist eine Erklärung für die Welt. Eine die mir gefallt bitteschön!